Dresden – Prag – Passau: Mit dem Rad durch Böhmen

„I woass, das des net so is, aber für uns sind die Tschechen immer noch die Oarmen.“ Die ehemalige Finanzbeamtin formulierte im breiten Wiener Schmäh die gleiche Voreingenommenheit, zu deren Überprüfung ich ein Vierteljahrhundert nach Fall des Eisernen Vorhangs zu unseren eher unbekannten Nachbarn im Südosten gereist war. Das Bemerkenswerte an der Aussage: Die betagte Dame wohnt mit ihrem Ehemann im ehemaligen österreichischen Grenzerhaus am Grenzübergang Zvonkova/Schöneben – keine zwanzig Meter vom ehemaligen Schlagbaum zwischen Tschechien und Österreich entfernt.

Von Dresden über Prag nach Passau führte mich der Weg durch die Mittelgebirgslandschaft Böhmen, die neben einer unrühmlichen deutschen Vergangenheit vor allem viele ruhige Sträßchen, eine ausgeprägte Landwirtschaft und mit der Moldau (tschechisch: Vltava) die Lebensader der Region zu bieten hat. Der längste Fluss Tschechiens begleitete mich über mehr als die Hälfte meiner etwa 550 km langen Strecke. Neben seiner wasserwirtschaftlichen Bedeutung erfährt er gerade in den Sommermonaten eine rege Nutzung durch abertausende Kanufahrer.

Die böhmische Küche (deftige Fleischgerichte und süße Mehlspeisen) und böhmisches Bier beflügelten als allgegenwärtige Bestandteile der regionalen Kultur das Radfahren in diesem ursprünglichen und beschaulichen Landstrich im Herzen Europas. Das Leben in böhmischen Dörfern wirkt einfach, unaufgeregt und manchmal improvisiert – als „oarm“ habe ich das keineswegs empfunden.

 

Markus Mille

Kommentare sind geschlossen.