Der Mensch ist halt keine Maschine

Jürgen Meurer finished Ironman Hawaii

Das Ironman-Rennen in Hawaii, die Weltmeisterschaft der Langdistanzrennen der Ironman-Serie, ist immer noch der Sehnsuchtsort aller Langdistanztriatleten, der gerne in Frodenos, Kienles oder Langes Fußstapfen treten möchten und sich in der glühenden Lavahitze in Hawaii an 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und einem Marathon versuchen möchten.
In diesem Jahr nahm neben Triathlonprofi Boris Stein aus der RSG Montabaur nur Jürgen Meurer an dieser „Mutter aller Langdistanzrennen“ teil. Nun ist es gar nicht so leicht, überhaupt teilnehmen zu können. Ein weltweiter Qualifizierungsprozess durch Teilnahme und gute Ergebnissen an anderen Langdistanzrennen stellt Hürden auf, die zu nehmen für viele schon der halbe Sieg ist.
Jürgen kannte die Luft in Hawaii durch seine Teilnahme 1998 schon und in diesem Jahr wollte er es noch einmal wissen: Die Qualifikation für 2019 schaffte er schon im September 2018 in Italien und konnte der Saison 2019 recht ruhig entgegensehen. Im Mai 2019 wurde er deutscher Meister seiner Altersklasse über die Mitteldistanz in Heilbronn (das ist die Hälfte der Ironman-Langdistanzstrecke) und konnte bei der größten deutschen Langdistanzveranstaltung im fränkischen Roth („Challenge Roth“) ebenfalls den Altersklassensieg erringen. Die Ergebnisse ließen also für den Ironman-Hawaii hoffen.Nun ist der Körper aber keine Maschine und derartige Ausdauerbelastungen hinterlassen durchaus ihre Spuren. Selbst hartgesottene und deutlich jüngere Triathlonprofis machen im Jahr selten mehr als zwei Langdistanzrennen. Nach dem Rennen in Roth und in der Vorbereitung auf Hawaii fing es auch bei Jürgen an zu zwicken und zu drücken und es lief nicht mehr alles so rund wie gewünscht. Dank intensiver Betreuung durch Orthopäden, Chiropraktikern und Physiotherapeuten ging es dann halbwegs wieder hergestellt nach Hawaii, aber dort zeigte sich dann in der unmittelbaren Rennvorbereitung, dass eben doch noch nicht alles wieder gut war. Die muskulären Probleme im Hüftbereich wurden derart stark, dass Jürgen kaum noch gerade gehen konnte – und das nur wenige Tage vor dem Rennen des Jahres. Ein Krankenhausbesuch eine Woche vor einem Ironman-Rennen bedeutet eigentlich das Aus, nicht so bei Jürgen.


Die Ironman-Weltmeisterschaft ist nicht nur in Deutschland sondern in den USA noch viel mehr Mythos und Ansporn zugleich. Zahlreiche namhafte Sportmediziner, Physiotherapeuten und Chiropraktiker aus den ganzen USA sind jedes Jahr in Hawaii präsent, um die Athleten zu unterstützen. Dieser geballte Sachverstand bekam Jürgen tatsächlich so gut wieder hin, dass ein Start wieder in vorstellbare Reichweite rückte – allerdings nicht mehr mit dem Anspruch auf Sieg sondern „nur“ noch auf das Finish.
Mit der Ungewissheit im Kopf, wie der Körper die anstehenden Strapazen neun, zehn oder elf Stunden aushält, startet Jürgen zu seinem zweiten Ironman-Rennen in Hawaii.
Nach einer Stunde und acht Minuten kam Jürgen aus dem an diesem Tag besonders schwierigen, welligen und kabbeligen Wasser und stieg nach weiteren 5 Stunden und 18 Minuten vom Rad. Bis zu diesem Zeitpunkt lief es für Jürgen auch für ihn selbst überraschend gut, doch nun stand noch der finale Marathon bevor.
Im ersten Teil der Laufstrecke auf dem berühmten Ali’i Drive, eine vom Profil her wellige Küstenstraße, bevölkern Zuschauer noch reichlich die Strecke, bevor es hinaus aus dem beschaulichen Örtchen Kona in die Einsamkeit und die Mittagshitze der Lavafelder links und rechts des “Queen K.” Highway geht. Nachdem Jürgen noch gut angelaufen war musste er mit zunehmender Dauer den Anstrengungen, der Witterung und vor allem seiner gesundheitlichen Vorgeschichte Tribut zollen und bestritt seinen langsamsten Marathon mit vier Stunden und 12 Minuten.
Nach 10 Stunden und 47 Minuten konnte Jürgen dann überglücklich die Ziellinie überqueren und schaffte sogar ein zwischenzeitlich nicht mehr für möglich gehaltenes „daylight-finish“, ein Zieleinlauf bei Tageslicht. Zu dieser Jahreszeit wird es in Hawaii bereits kurz nach 18 Uhr dunkel und die meisten der Teilnehmenden Athleten sehen die Ziellinie nur im Dunklen.
Auch wenn Jürgen zunächst mit anderen Vorstellungen hinsichtlich Platzierung und Rennzeit angereist war und zwischenzeitlich schon gar nicht mehr an einen Start glaubte, ist er mit sich zufrieden und möchte die intensive Zeit in Hawaii nicht missen.

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